Aufbau einer eigenen Zucht

Wenn man entschieden hat Meerschweinchen nicht nur zu halten, sondern auch zu züchten ... kommen viele Dinge auf einen zu, die zuvor vielleicht nicht bedacht oder erwartet waren. Mit diesen Ausführungen möchte ich all jenen die Hand reichen die diesen Traum leben wollen.  Von der Idee, über den Plan bis zur Verwirklichung kann es manchmal sehr schnell gehen oder sehr langsam. Oft platzt der Traum oder er fliegt einem regerecht um die Ohren. Alles schon dagewesen und wird bestimmt auch weiter passieren. Um bösen Überraschungen vorzubeugen, versuche ich hier einen gangbaren Weg zum Aufbau einer Zucht aufzuzeigen.

Was ist vor dem Beginn des Züchtens zu bedenken? 

Wer glaubt mit Tieren Geld verdienen zu können, kann an dieser Stelle auch aufhören zu lesen. Das ist nicht möglich. Mit extrem viel Glück können die Einkünfte die meisten Ausgaben decken.

  • Kann ich mich von den gezüchteten Jungtieren und den in Zuchtrente getretenen Tieren auch trennen? Wenn nicht, dann lass‘ es mit dem Züchten sein.
  • Habe ich das nötige Wissen / bin ich bereit mir das nötige Wissen anzueignen um verantwortlich mit sorgfältig ausgewählten Zuchttieren planmäßig zu züchten? Wenn nicht, dann lass‘ es mit dem Züchten sein.
  • Habe ich genügend Platz, um allen Zuchttieren und der Nachzucht ausreichenden und artgemäßen Platz zu bieten? Das gilt auch für die Gesellschafter in den Zuchtpausen und die nicht verkauften, bzw. für die eigene Zucht behaltenen Jungtiere. Wenn nicht, dann lass‘ es mit dem Züchten sein.
  • Habe ich genügend finanzielle Rücklagen, um nicht auf Kosten der Tiere sparen zu müssen? Und besonders in der Zucht sind schnell mal Tierarztkosten fällig, die man als Liebhaberhalter gar nicht auf dem Plan hatte. Wenn nicht, dann lass‘ es mit dem Züchten sein.
  • Habe ich genügend Zeit, auch mal sehr lange Zeit zeitlich schwer eingegrenzt zu werden? Zum Beispiel, wenn Jungtiere gepäppelt oder gar ganz von Hand aufgezogen werden müssen. Wenn nicht, dann lass‘ es mit dem Züchten sein.
  • Bin ich bereit, mich an die Standards der Zuchtverbände des Meerschweinchens zu halten? Wenn nicht, dann lass‘ es mit dem Züchten sein.
  • Bin ich bereit auf lange Urlaube und Reisen zugunsten der Tiere zu verzichten? Wenn nicht, dann lass‘ es mit dem Züchten sein.
  • Bin ich in der Lage auch sehr unangenehme bis ekelige Aufgaben, wie z.B. tote Tiere und angefressene Babys aufzuräumen, entzündete Wunden zu reinigen und behandeln, die Entscheidung über Leben und Tod eines Tieres zu übernehmen? Wenn nicht, dann lass‘ es mit dem Züchten sein.
  • Habe ich zuverlässige Hilfe, wenn ich aus verschiedenen Gründen mal nicht in der Lage bin mich selber um meine Tiere zu kümmer? Wenn nicht, dann lass‘ es mit dem Züchten sein.
  • Ist meine Vertretung in der Lage die meisten anfallenden Aufgaben zu meistern? Wenn nicht, dann lass‘ es mit dem Züchten sein.
  • Kann ich mit Shitstorms umgehen? (Ja, auch das wird einem Züchter immer wieder passieren. Und die Leute kämpfen oft mit harten und unfairen Mitteln!) Wenn nicht, dann lass‘ es mit dem Züchten sein.

Diese Liste lässt sich sicherlich noch um etliche Punkte erweitern die mir gerade nicht einfallen.

Zu den fiesesten Dingen gehört, das wer in Harz4 abrutscht oder einen Antrag auf Lebenssicherung hat, zwar Meerschweinchen halten, diese jedoch nicht züchten und / oder verkaufen darf. Denn aus der Zucht und dem Verkauft entstehen anrechnungspflichtige Einkünfte, die zur Streichung der Leistungen führen können. Dabei geht es ausschließlich um Einkünfte! Ausgaben und Aufwendungen sind völlig egal! (Stand 2019)

Was und in welchem Rahmen soll es denn werden? 

Zurzeit werden über 26 Rassen in mindestens 40 Farben und 12 Zeichnungen unterschieden. Sehr viele werden nicht von allen Zuchtvereinen anerkannt, was zu Endtäuschungen bei Ausstellungen führen kann. (Stand: Dezember 2019)

Also gilt es sich gründlich zu überlegen welche Rasse in welcher Farbe es denn sein soll. Auch, ob es nur eine Zuchtgruppe oder mehrere werden. Dazu muss auch entschieden sein, wie groß die Zucht werden darf. Das wiederum hängt vom möglich Platz (und Portemonnaie) ab.

Wie groß ist eine Zucht Gruppe?

Um züchten und nicht nur vermehren zu können benötigt man bei Rassen und Farben die man ohne großen Aufwand in guter Zuchtqualität nachkaufen kann 2,4 Tier, also 2 Böckchen und 4 Weibchen. Sie sollten nicht zu eng verwandt sein.

Bei Rassen und Farben die seltener sind braucht man mindestens 2,4 oder besser 2,6 Tiere die möglichst nicht verwandt sind.

Zu den Zuchttieren werden „Helferschweinchen“ gebraucht. Das sind mindestens ein netter Kastrat der die Brunst der Weibchen anzeigt ohne sie zu bedrängen oder abzuhetzen, für Ruhe und Ordnung sorgt, bei der Erziehung der Nachzucht hilft und die gebärenden Damen schützt ohne zu stören. Gerade letzteres ist bei guten Haremswächtern nicht immer der Fall.

Dann wird evtl. ein weiterer Kastrat gebraucht, der sich um die gedeckten Damen kümmert und im Idealfall sogar bei der Geburt hilft.

Die Zuchtböcke brauchen jeder einen Frühkastraten zur Gesellschaft, der immer, auch bei Damenbesuch in der Verpaarung, bei ihm bleibt. Diese Verbindung sollte Lebenslänglich sein. Das heißt, dass der Frühkastrat eigentlich auch bei Verkauf des Zuchtbocks mit umziehen sollte.

Dann wird für die männliche Nachzucht ein Erzieher benötigt. Das könnte zum Beispiel ein Zuchtbock sein der eine längere Pause, und einen eigenen Gesellschafter (Böckchen oder Katrat) hat, falls er mal keine Babyböcken hütet. Auch der Erzieher muss einige wichtige Charaktereigenschaften aufweisen. Er soll für Ruhe und Ordnung sogen ohne Aggression zu zeigen oder gar Ohren oder Körper zu verletzen, Haare dürfen schon mal fliegen. Mit viel Überzeugung und natürlicher Überlegenheit (Dominanz) seine Jungs erziehen und sozialisieren

Damit besteht also eine Zucht aus der Zuchtgruppe und seinen Helfern. Das dann wären:

  • 2 Zuchtböcke mit 2 Frühkastraten
  • 1 Haremswächter mit 4 bis … Weibchen
  • (1 Kreissaalwächter)
  • 1 Böckchen Erzieher mit Gesellschafter

Folglich besteht die kleinste Zucht ohne Nachzucht bereits aus mindestens 11 Tieren.

Wieviel Platz braucht eine Zuchtgruppe?

Liebhaber verlangen ja mindestens 1 m² pro Meerschweinchen. Bei einem Grundstock von 12 Tieren ohne Nachzucht … wo soll das hinführen? Nun werden vermutlich nicht alle Damen gleichzeitig und je 8 Junge bekommen, aber nur fürs Kopfkino: das wären 44 Tiere und eine geforderte Fläche von 44 m². Meerschweinchenzucht Ade!

Es gibt nur eine einzige gesetzliche Verordnung für den Platzbedarf von Meerschweinchen. Die schreibt 900 cm² (= 0,09 m² = 30 x 30 cm x 23 cm Höhe) für Labor Merschweinchen vor. Für ein Paar mit Nachzucht gelten 2500 cm² (= 0,25 m² = 50 x 50 cm x 23 cm Höhe). Fürs Kopfkino: das wären 8 männliche Tiere  0,72 m² und für die 4 Weibchen mit 32 Babys 1,00 m². Also eine geforderte Fläche von 1,72 m². Absolut inakzeptabel!

Die gängigen Größen sind:

Größenangabe / Außenabmessung in cm

Fläche nach Größenangabe in m² Tatsächliche Fläche des Innenmaß in m² Preisklasse Stand Februar 2021
104 x 53

0,55

0,50 ca. 40,00 €
122 x 58

0,71

0,65 ca. 50,00 €
140 x 69

0,97

0,89 ca. 100,00 €
160 x 80

1,28

1,20 ca. 150,00 €

Fazit: Käfige sind nicht einmal Mindestmaß für einen Kastraten mit einem Weibchen. Über ein Bock-Pärchen braucht man gar nicht erst nachdenken.

In der Zucht muss man völlig anders rechnen.

Da Weibchen einen geringeren Individualabstand als Böckchen haben, werden meist  5000 cm² (= 0,5 m² = 70,71 x 70,71 cm) verlangt. Eine Mindesthöhne von 40 cm ist schon alleine für die Buchtenreinigung erstrebenswert. Einem Kastrat mit 4 Weibchen würden demnach 3 m² zustehen.

Nach Vorgaben der Veterinärämter stehen einem Meerschweinchen, unabhängig vom Geschlecht, 3700 cm² (= 0,37 m² = 61 x 61 cm) zu, das wären gerade mal 1,85 m².

Was, wenn nun alle Damen fast gleichzeitig 8 Welpen bekommen? Das säßen schlagartig 37 Meerschweinchen auf 3 m² oder gar nur 1,85 m²!

Ich rechne deshalb lieber mit mindestens 4000 cm² (= 0,4 m² = 63,25 x 63,25 cm) pro 1 kg Lebendmasse. Für dieselbe Gruppe wäre also eine Fläche von 8,7 m² vorgesehen.

Ich merke schon, das Kopfkino sorgt gerade für Schnappatmung. Wer sitzt denn tatsächlich auf den ca. 9 m²? Es sind 1 kastrierter Haremswächter und 4 evtl. trächtige Weibchen. Jedem Tier stehen mathematisch 1,8 m² zur Verfügung. Sollten die Damen jetzt tatsächlich fast gleichzeitig je 8 Welpen auspacken, kämen noch 32 Würmchen von je 70 bis 100 g dazu. Und das ist schon hoch gerechnet. 32 x 100 g machen 3,2 kg oder ein Platzanspruch von 1,28 m². Im Alter von 4 Wochen sollten sie alle 250 g haben und zählen damit wie 8. Es wären jetzt also nach der Gewichtsformel 13 kg Tiere auf 9 m².  Und jetzt kommen die Söhne ja auch von den Müttern weg.

Die Jungs haben einen deutlich größeren Individualabstand. Eine Fläche von weniger als 5000 cm² (= 0,5 m² = 70,71 x 70,71 cm) ist ziemlich zuverlässig mit Streß für die Tiere verbunden. Hier ist die Forderung der Liebhaber von 1 m² pro Kerl gerechtfertigt.

Das bedeutet im Umkehrschluß, dass von den 32 Welpen die Hälfte männlich ist und jetzt zum Böckchen Erzieher mit Gesellschafter umziehen muss, dass die Bucht schnell voll wird. 2 Kerle sind schon drin und 16 sollen dazu. 16 werden es erfahrungsgemäß eher nicht sein, ist aber auch nie auszuschließen.

Nun noch die Zuchtböcke mit ihren Frühkastraten. Da kann man sagen, 1,5 m² für die Jungs und Platz nach der Gewichtsformel für die zu verpaarenden Damen. Den Frühkastrat kann man bedenkenlos mit 0,5 m² rechnen. Da er kein männliches Verhalten zeigt und in der Partnerschaft mit dem Zuchtbock im Status eines Weibchens lebt.

Stallplanung anhand der Gewichtsformel

Da man zwar nur 2,4 bis 2,6 einkauft, wird die Zucht trotzdem größer. Man züchtet ja nicht für den Verkauf, sonder für das Erreichen des Zuchtziels. Aus den Würfen werden in erster Linie Weibchen behalten und neue Zuchböcke zugekauft.

Anhand der Gewichtsformel und Erfahrung sollte man diese Flächen zur Verfügung haben:

  • 2 Zuchtböcke mit 2 Frühkastraten = 2x 2,5 bis 3 m²
  • 1 Haremswächter mit 6 bis 10 Weibchen = (7 bis 11x 0,4 bis 0,8 m²) 4,5 bis 15 m²
  • 1 Kreissaalwächter = 2,5 bis 3 m²
  • 1 Böckchen Erzieher mit Gesellschafter und Jungböckchen und –kastrate für Aufzucht und Abgabe = 4 bis 20 m²

Tja, bei 2,10 Zuchttieren kommt man mit Helferschweinchen dann tatsächlich auf einen Platzbedarf von 44 m².

Die Buchtengrößen für Zuchtböcke und Kreissaalwächter sollten schon großzügig gewählt werden. Sollte die Bucht des Haremswächters mal knapp werden und keine Damen tragend sein, wird Kreissaalwächter bestimmt gerne ein paar Mädels übernehmen.

Die Bucht des Haremswächters sollte eine mittlere Größe, entsprechend der Weibchenzahl, haben, wenn man nicht weiter vergrößern möchte. Oder lieber 2 kleinere Buchten und dafür 2 Haremswächter.

Schwierig finde ich die passende Größe für die Böckchen Gruppe zu ermitteln. Ich bevorzuge dann eine Möglichkeit sie der Gruppengröße anzupassen. Durch geschickte Gestaltung und Einrichtung kann man auch vorübergehend mit weniger Platz auskommen. Ganz viel hängt aber vom Erzieher ab. Je besser er ist, desto ruhiger wird die Gruppe sich verhalten.

 

 

Leseempfehlung

Böckchen Haltung

Harems Haltung

Weibchen Haltung

 

"Gutachten über Mindestanforderungen an die Haltung von Säugetierenbeschreibt ab Seite 151 Punkt 15.11 alles was die Haltung von "Eigentliche Meerschweinchen (Caviinae) und Maras (Dolichotinae)" in Tierparks und Zoologischen Grärten betrifft.

Ausschuss für Tiergerechte Labortierhaltung: Hausmeerschweinchen Stand: 18.02.2008 (Quelle am 22.11.2019) Es sind einige tolle und sinnvolle Aussagen enthalten. Natürlich nicht über den Platzbedarf!

Käfige aus dem Handel:

Egal wie nett und überzeugend die Verkäufer in den diversen Heimtierläden und bei anderen Anbieter sein mögen. Käfige aus dem Handel sind zu klein. Vorübergehend oder zur Quarantäne mag es gehen, aber alles was länger als ein paar Wochen ist, geht gar nicht.

Die gängigen Größen sind:

Größenangabe / Außenabmessung in cm

Fläche nach Größenangabe in m² Tatsächliche Fläche des Innenmaß in m² Preisklasse Stand Februar 2021
104 x 53

0,55

0,50 ca. 40,00 €
122 x 58

0,71

0,65 ca. 50,00 €
140 x 69

0,97

0,89 ca. 100,00 €
160 x 80

1,28

1,20 ca. 150,00 €

Fazit: Käfige sind nicht einmal Mindestmaß für einen Kastraten mit einem Weibchen. Über ein Bock-Pärchen braucht man gar nicht erst nachdenken.

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