Reproduktionsrate von Meerschweinchen

Reproduktionsrate, welch ein furchtbares Wort. Manchmal muss man eben solche Fachausdrücke nutzen um etwas emotionsfrei auszudrücken. In diesem Fall geht es gerade mal ganz staubtrocken darum, wie schnell aus einem Schweinchen-Pärchen ganz viele werden. Meerschweinchen sind ein fruchtbares Volk, wenn auch nicht ganz so reproduktionsfreudig wie Mäuse, Ratten und Kaninchen. Aber auch nicht weit von weg.

Cavia aperea forma porcellus ist der genaue wissenschaftliche Name der Rassemeerschweinchen.

Männliche Meerschweinchen sind ganz sicher polyamorös. Sie lieben jedes Weibchen und kommen ihren „ehelichen Pflichten“ fleißig nach, so das Weibchen auch brünstig ist.

Der Zyklus

Der biologische Zyklus der Brunst, Deckakt, Trächtigkeit, Geburt, Brunst, Deckakt, Säugephase und Trächtigkeit, Geburt … ist ein von der Natur vorgegebener Prozeß zur Arterhaltung mit dem Ziel in möglichst kurzer Zeit möglichst viele Nachkommen zu zeugen.

Um das zu erreichen hat die Natur es so eingerichtet, das die Weibchen mit ca. 4 Wochen ihre erste Brunst haben und auch erfolgreich gedeckt werden können. Die Brunst beginnt mit dem einreißen der Vaginalmembran, einer Haut, die durch wachsen und verkleben zweier Schleimhautleisten im Scheideneingang entsteht.

Am Ende der Vorbrunst (dauer: ca. ½ bis 4 Tage, meist etwa 1 ½ Tage) beginnt das Weibchen gut zu riechen und der Bock / kastrierte Haremswächter beginnt um ihre Aufmerksamkeit und Gunst zu brommseln und beschnuppert sie hinten intensiv. In dieser Zeit beginnt sich Scheidensekret zu bilden, dass dann die Vaginalmembran erst vorwölbt und dann einreißen lässt. Mit dem Reißen beginnt die Brunst von ca. 24 Stunden. Der Eisprung erfolgt ca. 10 Stunden nach Brunstbeginn und das Weibchen ist empfängnisbereit. Allerdings nur für ca. 10 Stunden der Hochbrunst.

geschlossene Scham eines nicht brünstigen Weibchens

offene Scham eines brünstigen Weibchens

Danach bildet sich eine neue Vaginalmembran, die eine Befruchtung außerhalb der Brunst unmöglich macht.

Nach dem Deckakt verschließt der so genannte Deckpfropfen aus Samenblasen- und Scheidensekret für ein paar Stunden die Scheide. Kam es nicht zur Befruchtung, tritt die nächste Brunst in ca. 13 bis 20 Tagen auf. (Meine Beobachtung zeigt meist 14 bis 16 Tage, selten länger.) Wurden hingegen die 1 bis 8, sehr selten mehr, Eizellen die das Weibchen ausgebildet hat befruchtet, dauert es fast eine Woche bis sie sich in den Legeghörnern einnisten.

Deckpfropfen

Die Trächtigkeit

Am 29. Tag beginnt das Fötenstadium. Ab dann ist mit viel Gefühl eine Trächtigkeit ertastbar. Dabei handelt es sich um ca. Erbsengroße Fruchtkörper in den Legehörnern. Dabei muss man sehr vorsichtig vorgehen.

Bei wöchentlichem wiegen können wir bereit mit ca. 4 Wochen nach dem erfolgreichen Deckakt recht genau sagen ob eine Sau trägt. Denn ab da macht die Gewichtskurve einen deutlichen Bogen nach oben. Die Wiegung sollte möglichst immer am gleichen Wochentag stattfinden. Wenn man dann noch den Brunstzyklus ungefähr kennt, kann man die Geburt auf wenige Tage genau vorherbestimmen.

Ungefährlicher für die Babys und aussagekräftiger wird die Tastkontrolle so ungefähr ab der 6. Trächtigkeitswoche. Da sind die Babys bereits gut ertastbar und langsam ist eine sichtbare Gewichtszunahme zu beobachten. Die Entwicklung der Föten schreitet zügig voran. Die Augen öffnen sich bereits.

Ab der 7. Woche sind die Bewegungen der Jungen tastbar. In diesem Alter wechseln sie bereits ihre Zähne. Kurz darauf beginnen die Babys gut fühlbar zu zappeln. Zumindest wenn sie nicht gerade schlafen oder die Sau so großen Stress bei der Kontrolle hat das sie sich vollständig anspannt und auch die Babys erstarren.

Frühes Fötenstadium nicht lebensfähige Frühgeburten mit ca. 62 Tagen

Ca. 10 - 5 Tage vor der Geburt beginnt sich die Schambeinfuge zu öffnen. Wenn sie sich so weit geöffnet hat, dass ein Zeigefinger zwischen die Schambeinhöcker passt, dann steht die Geburt kurz bevor, das heißt, man kann noch zwischen 3 Tagen und 12 Stunden bis zur Geburt rechnen.

Zu ertasten ist die Schambeinfuge am besten, wenn das Weibchen vertrauensvoll auf den Tisch sitzt und vorne mit Futter abgelenkt oder zart gehalten wird. Die andere Hand wird von hinten zwischen die Beine geschoben und der Mittelfinger sollte knapp vor der Scham durch leichtes nach oben fühlen die Knochenspitzen ertasten. Fühlt man 2 Knochen mit kaum merklichem Abstand zu einander, ist die Schambeinfuge geschlossen. (Am besten übt man erst an einem erwachsen nicht trächtigen Weibchen.) Fühlt man mit dem Mittelfinger nichts, heben sich Zeige- und Ringfinger. So lässt sich die Weite der Schambeinfuge bestimmen und damit der Zeitpunkt der bevorstehenden Geburt abschätzen.

Die Schambeinfuge ist an dieser Stelle zu ertasten. Anatomisch sieht es etwa so aus.

Auch schießt oftmals bei den Sauen kurz vor der Geburt, das heißt zwischen 4 Tagen und ein paar Stunden, die Milch ein. Dies ist aber nicht immer so, und die Milch kann auch erst nach der Geburt einschießen.

Biologisch und mathematisch

Wenn man es so logisch angeht, können Meerschweinchen einem echt Angst machen. Wenn man am 1. Januar 2020 eine Brunstverpaarung mit jungen und zuchtgeeigneten Elterntieren setzt und diese Verpaarung bis zum Jahresende nicht auflöst, sollte der erste Wurf am 9. März geboren werden. Gehen wir jetzt und in allen folgenden Würfen vom Maximum und mathematisch idealer Quote aus, werden es 4 Böckchen und 4 Weibchen (das wird als 4,4,0 (weil kein totes dabei ist) bezeichnet) sein. Die Mutter wird sofort erfolgreich wiederbedeckt. Damit wird der nächste Wurf von ihr, wieder mit 4,4 am 16. Mai erwartet.

Zwischenzeitlich sind die 4 Töchter aus dem ersten Wurf auch geschlechtsreif und gedeckt worden. Ihre Würfe werden um den 15. Juni erwartet. Je Weibchen mit 4,4 also 16,16 Welpen.

Wenn man das nun hochrechnet, davon ausgehend, das jedes Weibchen bei Erreichen der Geschlechtsreife und nach erfolgter Geburt sofort erfolgreich befruchtet wird und jedes jedesmal 4 Böckchen und 4 Weibchen gebiert, werden aus den 2 Elterntiere innerhalb eines Jahres 738 Meerschweinchen.

Beim seriösen Züchter

Dem seriösen Züchter ist nicht an der Produktion von massenhafter Nachzucht gelegen. Er züchtet um einen definierten Standard für Rasse-Meerschweinchen zu erfüllen. Innerhalb der gebotenen Vielfalt von Rassen und Farben ist wirklich für jeden Fan was dabei.

Die Jungtiere gehen natürlich nicht mit 4 Wochen in die Verpaarung. Nicht alleine weil sie (zu)jung wären, sondern vielmehr um ihnen Zeit zum Reifen und Entwickeln zu geben. Geschlechtsreif hat wenig bis nichts mit Zuchtreif und Zuchtgeeignet zu tun.

Die Zuchtreife beginnt mit 3 Monaten und mindestens 600 g. Die meisten jungen Damen sind dann aber noch nicht ganz so weit und es macht Sinn noch zu warten. Zu lange warten macht wiederum auch keinen Sinn. Mit zunehmendem Alter lässt die Elastizität der Symphyse (der Knorpelfäden die die Schambeinfuge zusammen halten) nach und die Geburtsrisiken steigen deutlich an. Auch ein großes Gewicht ist nicht geeignet um eine Trächtigkeit zu überstehen. Ein Weibchen kann im Laufe der Trächtigkeit ihr Gewicht verdoppeln, aber nur ein begrenztes Gewicht ist gesundheitlich vertretbar, da geht es den Meerschweinchen nicht anders als Menschen und allen anderen Muttertieren. Wir ziehen die magische Grenze, je nach Weibchen, bei maximal 1200 g. Kleinere oder zartere Tiere natürlich deutlich früher. Das Weibchen wird in der Regel nicht bei einem Potenten Bock werfen, weil eine direkte Nachbedeckung eher unerwünscht ist. Vor der nächsten Verpaarung, so denn überhaupt weitere Nachzucht des Weibchens gewünscht ist, erfolgt nach einer angemessenen Zuchtpause. Der nächste Wurf sollte wiederum vor Ablauf eines Jahres fallen um der „Verknöcherkung der Schambeinfuge“ zuvor zu kommen. Natürlich verknöchert sie nicht. Gemeint ist die Verfestigung / Versteifung der Symphysen.

Auswahl zuchtgeeigneter Meerschweinchen

Ein Tier ist nur dann zuchtgeeignet, wenn es gesund ist und den Ansprüchen zur Erhaltung des Zuchtstandard entspricht. Augenscheinlich gesund reicht nicht aus, denn selbst ein vom Tierarzt untersuchtes Tier ist nur auf seine Fitness hin kontrolliert. Jedes Handling der Tiere bedeutet Stress und die Untersuchung durch eine fremde Person ganz besonders.

Physiologische Daten zur Fitness-Kontrolle

Atemzüge
60 bis 160 pro Minute
Herzschlag
240 bis 380 pro Minute, unter Stress bis zu 600 (stelle da mal fest, ob ein Herzfehler vorliegt)
Blutdruck
50 bid 65 mmHg
Körpertemperatur
37,5 bis 39,5 °C

Die genetische Gesundheit belegen Zuchttiere durch ihre Ahnen und Verwandte. Jeder seriöse Züchter wird gesundheitlich belastete Linien beenden und nicht weiter züchten. Dann gibt es leider sehr viele Züchter, die keine Stammbäume (mehr) ausstellen. Ob das gut oder schlecht ist muss jeder (Jung)Züchter für sich selbst entscheiden. Es hängt aber auch sehr viel davon ab, bei welchem Züchter man welche Rasse oder Farbe kauft.

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